29.05.2009 / Redaktion prager frühling

Infrastruktursozialismus

Plädoyer der prager frühling Redaktion

Ein wohlverstandener Infrastruktursozialismus macht das Leben für die Menschen angenehmer und ist ein Beitrag gegen die Folgen der Krise. Zudem entzieht er elementare gesellschaftliche Aufgaben wie Kommunikation, Mobilität, Kultur, Bildung und Gesundheit der Warenförmigkeit.

Kommunikation

Telefon und Internet sind elementar für die Pflege sozialer und beruflicher Kontakte. Sie schaffen Zugang zu politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Informationen. Ohne sie ist gesellschaftliche Teilnahme heute nicht mehr denkbar. Deshalb müssen die Netze weiter ausgebaut werden. DSL muss auch im abgelegensten Dorf Standard sein. An öffentlichen Orten ist ein freies WLAN-Netz notwendig. Weil dies alles kostenlos ist, werden Milliardenbeträge für andere Ausgaben frei. Was für eine Ankurbelung der Binnennachfrage!

Mobilität

Mobilität wird üblicherweise als „freie Fahrt für freie Bürger“ interpretiert. Welcher Begriff von Freiheit dabei zugrunde liegt, zeigt sich bei der Abwrackprämie: Für Hartz-IV-Beziehende gilt sie nicht. Dabei wäre Mobilität für alle einfach zu organisieren: ÖPNV zum Nulltarif, ein Kontingent für Fernreisen mit der Bahn und ein enges Charsharing-Netz schaffen nicht nur viele Arbeitsplätze (mehr BusfahrerInnen, Erweiterung des Schienennetzes, der Züge etc.), sondern sind auch ein Beitrag gegen die Klimakatastrophe. Carsharing-Autos, die ähnlich wie die Bahn-Fahrräder in Großstädten ein dichtes Netz bilden, beseitigen zudem die Überproduktion in der Automobilindustrie ökologischer als die Abwrackprämie.

Kulturelle Teilhabe

Das kulturelle Leben ist vielfältig und umfasst nicht nur Theater, Kino, Musik und Literatur. So verschieden das Leben ist, so unterschiedlich müssen auch die kulturellen Angebote sein. Zu fördern ist dabei nicht nur, was gemeinhin als Hochkultur gilt, sondern auch die Kultur der Subalternen: Die Förderung der kulturellen Infrastruktur umfasst also sowohl das Theater als auch die Werkstatt für HobbyschrauberInnen, den Proberaum der jugendlichen Ohr-ab-Band, und die Karaoke-Bar. Die Förderung des kulturellen Lebens schafft dabei auch eine Vielzahl an Arbeitsplätzen: SchauspielerInnen, BühnenbildnerInnen, MusikerInnen müssen eingestellt, Hobbywerkstätten und Proberäume eingerichtet und verwaltet werden.

Gesundheit

Gesundheit muss vollständig der Warenförmigkeit entzogen werden, indem freier und kostenloser Zugang zu Ärtzehäusern und Krankenhäusern gewährt wird. Wer krank ist, wird behandelt. Die Zweiklassenmedizin ist abgeschafft. Dazu sind große Investitionen notwendig, weil durch den freien Zugang zur Gesundheitsversorgung sowohl ein Ausbau der Intensivmedizin notwendig, als auch der Bedarf an den Tätigkeiten der Heil- und Medizinfachberufe steigen wird.

Auch die Zahnmedizin hätte mehr zu tun, würden Kronen und Implantate nicht nur diejenigen erhalten, die sie bezahlen können, sondern alle, die sie benötigen. Um würdiges Altern zu garantieren, müssen auch in der Altenbetreuung mehr Menschen tätig sein.

Die Krankenkassen weisen heute zurecht darauf hin, dass regelmässige sportliche Betätigung wichtig ist. Der freie Eintritt zu McFit – allerdings mit qualifizierten TrainerInnen – ist daher ein weiterer Baustein eines Infrastruktursozialismus im Gesundheitswesen.

Bildung

Freier Zugang zu Schulen, Universitäten, Volkshochschulen und ein umfassendes Angebot an kostenlosen Kindertagesstätten macht die Menschen schlauer und schafft gesellschaftlich sinnvolle Arbeitsplätze. Durch den freien Zugang wird die diskriminierende Aufteilung der SchülerInnen auf verschiedene Schultypen beendet. Kindertagesstätten und Ganztagsschulen erleichtern die Verbindung von Familie und Beruf. Selbstverständlich gibt es Studiengebühren genau so wenig wie Gebühren für die Meisterlehrgänge handwerklicher Berufe. Die Lehrmaterialien (Schulbücher, Zugang zu den Bibliotheken, Ausbildungsmaterialien) sind kostenfrei.

Demokratisch ausgehandelt und selbstverwaltet zeigt der Infrastruktursozialismus auf, was heute schon an gesellschaftlicher Teilnahme möglich wäre. Die Forderung „Her mit dem Infrastruktursozialismus“ ist daher mehr als eine linke Antwort auf die Krise, weil der Infrastruktursozialismus bereits die Möglichkeiten der neuen Gesellschaft im Schoss der alten ausbrütet.

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